Franziska Liesner, Beckenboden - Expertin und Physiotherpeutin

Organsenkung bei Frauen: Erklärung und die wichtigsten Tipps für Sie!

Organsenkung: Erklärung und Symptome

Von Organsenkung sprechen wir, wenn sich Organe im Körper nach unten bewegen. Davon betroffen sind besonders die untersten Organe unseres Bauchraumes, da dort die meiste Last ankommt: Die Blase vorn, die Gebärmutter in der Mitte und der Darm hinten. Wie kommt es aber dazu, dass Organe nach unten sinken und sie ihren Halt verlieren?

Die Organe werden im Körper gehalten durch Bindegewebe und Muskeln.

Die Organe schweben also nicht einfach so unbefestigt in uns herum, sondern sind an Bändern befestigt und werden zusätzlich von Faszien getragen und gehalten. So gibt es zum Beispiel eine Faszie zwischen Harnröhre und Scheide, die die Harnröhre/Blase trägt. Oder eine Faszie zwischen Scheide und Darm, die die Scheide trägt. Diese Faszien kann man sich wie elastisch-feste, relativ dünne Halte-Körbchen und alles verspannende Netzstrukturen vorstellen. Ganz faszinierend zu sehen und genial gedacht.
Zusätzlich gibt es auch noch lockeres Bindegewebe, dass die Organe trägt und puffert und die Zwischenräume füllt, ein Teil davon ist auch das Fettgewebe.
Das ist also der bindegewebige Halt der Organe.

Dann kommen natürlich auch die Muskeln zum Einsatz: im Bauchraum sind das die Bauchmuskeln vorne, die Rückenmuskeln hinten und die Beckenbodenmuskeln unten. Diese Muskeln sichern die Organe rundherum von allen Seiten. Diese zwei Strukturen, Bindegewebe und Muskeln, sind also für den Halt unserer Organe zuständig. Wenn es nun zur Senkung eines Organs kommt, dann kann entweder das Bindegewebe oder die Muskeln oder auch Beides die Ursache dafür sein.
Beim Bindegewebe kann es daran liegen, dass man genetisch bedingt eine Bindegewebsschwäche hat, die sich häufig auch in Krampfadern, Cellulite, „wackligen“ Gelenken etc. äußert.

Oder das Bindegewebe wird durch hormonelle Veränderungen schwächer.
Bei Frauen finden hormonelle Veränderungen besonders in der Pubertät, in der Schwangerschaft und in den Wechseljahren statt. Und da klingelt es bestimmt gleich bei Ihnen im Kopf: die meisten Frauen, die eine Organsenkung bei sich spüren, merken die Senkung entweder in/nach der Schwangerschaft oder in/nach den Wechseljahren. Kein zufälliges Phänomen….
Und die Muskeln? Muskeln unterliegen ebenfalls den Hormonen und verändern sich ganz besonders dann, wenn weniger Östrogen zur Verfügung steht: Sie werden es geahnt haben: In/nach der Schwangerschaft und in/nach den Wechseljahren.
So viel zur Theorie der organtragenden Strukturen.

Organe der Frau ohne Senkungen

Bild: Organe „normal“: Ohne Organsenkung

Ursachen für eine Organsenkung

Die Ursachen für eine Senkung sind Druck auf dem Beckenboden oder eine Verletzung

  • durch Geburtsverletzungen
  • Operative Geburten
  • Verstopfung (langes Pressen)
  • chronische Atemwegserkrankungen.
  • schweres Tragen

Die generellen Risikofaktoren für eine Organsenkung sind

  • Genetisch bedingt
  • die Geburt eines Kindes
  • Entfernung der Gebärmutter
  • Alter
  • Übergewicht

Auswirkungen einer Organsenkung

Nun gucken wir uns die Auswirkungen einer Organsenkung an: Zunächst mal möchte ich Ihnen beschreiben, was es genau für Organsenkungen gibt: wir fangen vorne an:

Die Blasensenkung = Zystozele

Beim Absinken der Blase gibt es 4 Stadien, die danach benannt werden, wie weit die Blase heruntersinkt. Es beginnt meistens mit dem Absenken der zu weichen, vorderen Scheidenwand, - der Struktur, die die Blase hält, später rückt die Blase selbst nach unten.

Das erste Symptom einer Blasensenkung ist ein Schweregefühl im vorderen Beckenboden. Im Stehen sieht oder tastet die Frau im vorderen Bereich der Scheide etwas weiches, dass sich, wenn die Blase voll ist und schon etwas tiefer gesunken ist, wie ein mit Wasser gefüllter weicher Luftballon anfühlen kann. Dies kann mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Fremdkörpergefühl verbunden sein.
Wenn sich die Blase noch weiter absenkt, kann es zu Entleerungsstörungen der Blase kommen. Frauen merken, dass sie die Blase nicht vollständig entleeren können und müssen manchmal 2 x hintereinander Wasser lassen. Auch können durch den Restharn häufiger Blasenentzündungen auftreten und es kann eine Belastungsinkontinenz entstehen.

Organsenkung bei einer Frau - die Blasensenkung

Bild: Blasensenkung bei einer Frau

Gebärmuttersenkung = Descensus uteri

Auch die Senkung der Gebärmutter wird ebenfalls in die Stadien 1-4 eingeteilt. Das erste Symptom ist auch hier häufig ein Fremdkörper-Gefühl zwischen den Beinen. Wenn Frauen im Stehen tasten, fühlen sie eine feste Struktur, die sich ein bisschen ähnlich einer Kastanie anfühlt. Ein weiteres Symptom können Rückenschmerzen, Druckgefühl im Unterleib, eine Belastungsinkontinenz, manchmal auch eine erschwerte Blasenentleerung sein. In der Sexualität kann es manchmal Schmerzen bei der Penetration geben.

Organsenkung bei einer Frau - die Blasensenkung

Bild: Gebärmuttersenkung und Darmsenkung

Darmsenkung= Rektozele

Wenn Frauen im Stehen mit dem Spiegel gucken oder tasten, sehen/fühlen sie im hinteren Anteil der Scheide Gewebe. Typisches Symptom bei einer Rektozele ist ein Fremdkörpergefühl, aber das erste, was Patientinnen häufig merken, ist dass sich der Darm nicht komplett entleeren lässt, so dass immer das Gefühl ist, als ob „da noch etwas drin“ wäre. Oder typischerweise nach einer halben Stunde nach dem Stuhlgang noch etwas nachrutscht. Das Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung entsteht. Dadurch pressen Frauen häufig noch mehr, um sich überhaupt entleeren zu können. Ebenso kann es zum Stuhlschmieren kommen, Schmerzen im hinteren Bereich der Scheide, also im Bereich des Dammes, vermehrten Blähungen, Juckreiz und Exzeme, ungewollter Luftabgang zum Beispiel auch beim Sex. Die Rektozele wird in 3 Stadien eingeteilt.

Organsenkung: Diagnostik

Sie haben das Gefühl, dass bei Ihnen ein Organsenkung vorliegt? Dann sprechen Sie Ihre/n Gynäkolog*in auf dieses Thema an. Sie/er ist dafür die/der erste Ansprechpartner*in. Das Problem dabei ist häufig, dass auf dem gynäkologischen Stuhl die Senkung gar nicht so richtig erkennbar sind, weil das Becken etwas nach hinten gekippt ist. Ein Grund, warum Beckenboden-Physiotherapeutinnen die Frauen mit einer Senkung immer im Stehen untersuchen oder wir im Liegen stark pressen lassen. Weitere Ansprechpartner können der /die Hausärztin, der/die Urolog*in oder der/die Proktolog*in sein.

Organsenkung: Therapie

Wenn Sie sich am Anfang dieses Artikels die Ursachen einer Organsenkung durchgelesen haben, wissen Sie nun auch schon, was Sie therapeutisch machen können.

Das erste Ziel: weniger Druck aufbauen!

und da geht es zuerst um das Absetzen vom Stuhlgang, ohne wie eine Weltmeisterin zu pressen. Sorgen Sie also in erster Linie dafür, einen weichen Stuhlgang zu bekommen, so dass sie nie(!) wieder pressen müssen. Der erste und einfachste Tipp dafür ist, einfach mehr zu trinken. Oder auch Flohsamen- schalenpulver zu sich zu nehmen, mit einer großen Menge Wasser dazu. Sprechen Sie Ihre Apothekerin darauf an, die wird Ihnen das erklären. Manchmal ist es dafür auch nötig, eine Ernährungsumstellung zu machen, so dass der Ballaststoffanteil in der Nahrung größer wird. Auch die Beckenbodenphysiotherapeutin kann Ihnen dafür sehr viele hilfreiche Tipps geben. Gucken Sie gerne auch mal hier: Meine Tipps zu Darmverstopfung und zur Darmentleerung bei YouTube

Und wie können Sie weiter Druck reduzieren?

Versuchen Sie, so wenig wie möglich zu tragen und zu heben.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan, besonders wenn man im Alltag einfach heben und tragen muss. Auch hier lohnt sich, physiotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manchmal reicht aber auch schon das Wissen, dass man nicht so viel heben und tragen sollte.

Falls Sie Atemwegserkrankungen haben, sprechen Sie Ihre Ärztin auf Ihr Beckenbodenproblem an. Vielleicht lässt sich da noch etwas besser einstellen.

Machen Sie Kraftsport, Yoga, Pilates oder Ähnliches, wo es zu erhöhtem Druck im Bauchraum kommt?
Dann möchte ich Ihnen sehr ans Herz legen, dass Sie bei einer Beckenbodenphysiotherapeutin lernen, wie Sie mit Ihren Muskeln und der richtigen Atemtechnik dem Druck standhalten können.
Die Beckenbodenphysiotherapeutin kann Sie untersuchen und Sie können gemeinsam feststellen, ob und wie Sie das am besten schaffen können.

Entlasten Sie Ihr Becken im Alltag
Ganz wichtig bei jeder Art von Organsenkung ist das Entspannen der überlasteten Beckenbodenmuskulatur und eben auch wieder die Druckreduzierung auf den Muskeln. Das können Sie unter anderem mit meinem  You Tube Video probieren (Beckenbodenentspannung und -dehnung, zum Beispiel bei Schmerzen so wohltuend!).
In die Position am Ende des Videos legen Sie sich bitte immer an/nach anstrengenden Tagen.

Reduzieren Sie Ihr Körpergewicht, falls nötig.
Ich weiß, dass das leichter gesagt als getan ist. Aber vielleicht können Sie versuchen, nicht weniger zu essen, sondern mehr zu essen: mehr Gemüse, mehr Eiweiß, mehr Ballaststoffe. Und so ohne Hungergefühle in klitzekleinen Schritten dem Ziel näher zu kommen.  

Das zweite Ziel: eine rundherum tragende Muskulatur!

Dafür empfiehlt sich ein sehr gutes physiotherapeutisches Beckenbodentraining. Studien haben gezeigt, dass Senkungen 1° besser trainiert werden können. Und das ist richtig viel! Allerdings nur durch das richtige Training. Und das lernen Sie am besten bei einer Beckenbodenphysiotherapeutin. Kolleginnen finden Sie unter anderem unter diesem Link. 

In meinem neuen Programm „Organe hoch! Das Anti-Senkungsprogramm“ bekommen Sie einen Beckenbodentrainings-Onlinekurs, der Ihnen in 12 Wochen ein leichteres Gefühl und mehr Kraft zwischen den Beinen verschafft. Dieses einzigartige Beckenbodentraining ist für Frauen jeden Alters mit allen Stufen einer Senkung geeignet, egal um was für eine Organsenkung es sich handelt. Üben Sie, wenn möglich täglich, völlig flexibel bei sich zu Hause auf Ihrer Matte und verbessern Sie Ihren Beckenboden unter der Anleitung von mir als Beckenbodenexpertin.

Therapie: Operation der Organsenkung

Muss eine Blasensenkung, Gebärmuttersenkung oder Darmsenkung immer operiert werden? Da kann ich ganz klar sagen. Nein: Eine Organsenkung muss nicht immer operiert werden. Eine Organsenkung ist immer nur so schlimm, wie es sich für einen selber anfühlt.

Aber wenn die Symptome ein so sehr beeinträchtigen, dass die Lebensqualität leidet: dann kann man über eine Operation nachdenken. Aber nicht (!!!) ohne vorher dem Körper eine Chance gegeben zu haben, mit einem vernünftigen Beckenbodentraining Verbesserungen zu erreichen. Alle Operationen am Beckenboden haben eine begrenzte Haltbarkeit: das liegt einfach an unserem Alltag und an der Schwerkraft.

Deshalb ist so gut wie nie Eile geboten. Fragen Sie Ihre/n Ärzt*in, ob bei Ihnen ein Grund zur Eile besteht. Machen Sie sich bitte auch immer klar, dass Organe nicht einfach aus einem herausfallen können und plötzlich auf der Straße liegen, weil sie ja immer am Bindegewebe festgehalten werden.

Weitere therapeutische Möglichkeiten bei Organsenkung:

Eine altbewährte und gute therapeutische Möglichkeit bei einer Organsenkung ist das Tragen eines Pessars. Pessare wurden schon vor tausenden von Jahren benutzt. Ein Pessar ist eine Stütze aus Silikon, Schaumstoff oder anderem Material. In die Scheide eingeführt stützt es die Organe von unten und sorgt somit für eine Entlastung des Bindegewebes und der Muskeln. Die Muskeln werden dadurch nicht schwächer, sondern können häufig erst wieder richtig gut arbeiten, weil sie dann nicht mehr so dauerhaft verspannt sind. 

Weitere Informationen finden Sie in diesem Video (Pessare: Einfache Hilfsmittel für den Beckenboden bei Inkontinenz und Senkung). Pessare werden von Gynäkolog*innen und teilweise auch von Beckenboden-Physiotherapeutinnen angepasst. Pessare haben keine Nebenwirkungen und sie sind eine effektive, pragmatische Möglichkeit, die Symptome eines Organsenkung zu reduzieren.

Fazit:
Wichtig ist das Wissen, dass unwahrscheinlich viele Frauen eine Organsenkung haben, ohne es überhaupt zu wissen und sie auch gar nicht bemerken. Und dass macht einem dann auch gleich klar, warum nicht jede Organsenkung „schlimm“ ist oder operiert werden muss und wir Panik deshalb bekommen müssen. Aber wenn (erste) Symptome da sind, ist es wichtig ruhig und besonnen zu handeln, mit der /dem Ärzt*in zu sprechen (das ist überhaupt nicht peinlich!!!) und dem Körper eine Chance zu geben, durch Beckenbodentraining und Druckentlastung zur regenerieren und wieder die „stabile Mitte“ zurückzubekommen.

 

Literaturhinweise:
Bis zu 75 % der Frauen haben eine Rektozele: https://www.glowm.com/section-view/heading/The%20Pathophysiology,%20Diagnosis,%20and%20Management%20of%20Rectoceles/item/58

Bis zu 40% der Frauen haben eine Rektozele ohne es zu wissen und zu merken: https://fascrs.org/patients/diseases-and-conditions/a-z/rectocele-expanded-information

Die deutschen medizinischen Leitlinien für die Therapie von Organsenkung in Überarbeitung) https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-006l_S2e_Descensus_genitalis-Diagnostik-Therapie_2016-11-abgelaufen.pdf

Beckenbodentraining ist sinnvoll bei Organsenkung: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9477909/ Pessare und ihr Gebrauch: https://ukcs.uk.net/UK-Pessary-Guideline-2021 

 

©Franziska Liesner 2024  

 

 

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Hinweis: dieser Onlinekurs ist nicht für jede Frau geeignet.
Bitte lesen Sie die wichtigen gesundheitlichen Hinweise


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